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Donnerstag, 13. Oktober 2011

15.Oktober 2011 – Widerstand ist zwecklos? Über Finanzfaschismus und seine Folgen. SEHR lesenswert


Donnerstag, 13.10.2011. Eifel. Gestern erreichte mich eine E-Mail mit der Bitte, einen kleinen Aufruf zu veröffentlichen. Das tue ich gern. Es geht – mal wieder – um die Organisation einer großen Massendemo. Früher ging es gegen Atomkraft, gegen Raketen, gegen Krieg. Zum Beispiel am 15. Oktober 1969 – da gab es in Washington einer der größten Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg. Lange Zeit waren Demonstrationen ein Bestandteil der demokratischen Kultur – sozusagen ein wichtiges Korrektiv der parlamentarischen Demokratie. Wann immer der Kurs der Regierung in Teilbereichen vom Willen des Volks abwich, sein Leben in Gefahr brachte oder seine Sicherheit tangierte, gingen die Leute auf die Straße.

Meist – ging es wie 1969 direkt oder indirekt um die Politik der USA … wenn wir mal so tun, als ob die Atomkocherei auch auf ihrem Mist gewachsen ist. Diesmal … geht es auf jeden Fall gegen die USA … diesmal ist es ihr Wirtschaftssystem, das uns das Brot vom Teller nimmt. Da wird der Deutsche wach – ganz unpolitisch:

Wir sind die 99%

99 % stellen sich vor Du fragst dich wer wir sind? Frag dich auch wer du bist. Wir sind die bisher schweigende Mehrheit. Wir gehen, sofern wir noch eine Stelle haben, jeden Tag zur Arbeit, machen auch noch Überstunden und kommen doch gerade über die Runden. Wir verdienen so wenig, dass wir als Bittsteller zum Jobcenter pilgern um unser Gehalt aufstocken zu lassen. Wir müssen froh sein überhaup…t noch eine Arbeit zu haben. Wir werden zu unnötigen Maßnahmen für 1 € die Stunde genötigt. Wir arbeiten am Wochenende schwarz um Essen auf den Tisch zu bekommen. Wir haben die Uni mit einem Bachelor abgeschlossen und finden trotzdem keine Stelle, lesen aber ständig von Fachkräftemangel. Wir pflegen Alte und Kranke für 800 € im Monat, denn mehr scheint diese Arbeit nicht wert zu sein. Von dem bisschen das wir verdienen stecken wir einen Teil in private Altersvorsorge, obwohl wir uns längst mit dem Gedanken an Altersarmut abgefunden haben. Fassungslos beobachten wir den immer weiter voranschreitenden Abbau des Sozialstaates, wir sehen die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklaffen. Ungläubig sehen wir die Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Rahmen des Krieges gegen den Terror und der damit einhergehenden Überwachung der Bevölkerung durch die Vorratsdatenspeicherung und INDECT. Verwundert registrieren wir die Summen mit denen angeblich systemrelevante Banken und Firmen mit unseren Steuern gerettet werden, während uns immer weniger Teilhabe bleibt. Niemand hilft uns, aber mit unseren Steuern werden diejenigen gerettet, die uns ausbeuten. Wir haben unterschiedliche Meinungen und Ansichten, wir sind in keinem herkömmlichen politischen Schema zu verorten, wir sind weder rechts noch links, noch öko oder liberal. WIR SIND EMPÖRT! Wir sind empört über die Entwicklungen in unserer Gesellschaft und Wir erkennen die Notwendigkeit diese Empörung kund zu tun. WIr wollen nicht länger eine Politik hinnehmen, die nur den Reichen hilft und verlangen Transparenz und Nachvollziehbarkeit in politischen Prozessen. Wir verlangen eine echte Demokratie zum Wohle aller. Wir sind die 99% die unter dem 1% leiden. Wir empören uns über alle Ländergrenzen und Kontinente hinweg. Deshalb kommen wir am 15. Oktober zum ersten mal weltweit auf der Straße zusammen. Wenn du das hier liest, gehörst wahrscheinlich auch du zu den 99%. Es ist an der Zeit Farbe zu bekennen. Trotz aller Unterschiede eint uns die Unzufriedenheit. Zeig auch du deine Empörung der Welt. MACH MIT!


Nun – ich empöre mich schon seit zwei Jahren. Ganz öffentlich. Fast täglich finde ich etwas Empörendes in den Nachrichtenfluten – oft viel mehr, als man in einem Artikel zusammenfassen kann. Ein Empörungstsunami wäre angebracht … wenn er denn noch etwas helfen würde.

Als Mensch, als Bürger, warne ich seit Ende der neunziger Jahre vor einer gesellschaftlichen Entwicklung, die die Lebensqualität unseres Alltags zunehmend zersetzt – auf allen Ebenen. Wer Arbeit hat, bekommt immer mehr davon (Leistungssteigerungen per Zielvereinbarungen um jährlich zehn Prozent vervielfachen die Arbeitsleistung nach zwanzig Jahren enorm – weshalb die Zunahme von "Burn our" kein Wunder ist), wer keine Arbeit hat … weiß selber, wie lustig das ist. Die Ursache der Entwicklung ist klar: zum Lebensziel der Menschheit, zum Leistungsziel der Wirtschaft und zum Ziel des ganzen Gemeinwesens ist nicht mehr die Verwirklichung eines utopischen aber trotzdem erreichbaren Traums geworden – die vollständige Realisierung der Ziele der Erklärung der allgemeinen Menschenrechte – sondern die grenzenlose Steigerung von Gewinnen durch Kapitalanlagen.

Ein System, an dem nur Leute mit viel Kapital gewinnen können.

Die gesellschaftlichen Folgen konnte man sich an fünf Fingern abzählen, heute sind sie Alltag.

Auch wenn es wie ein Horrormärchen klingt: eine Zukunft, in der Reiche in HighTechPalästen in Naturreservaten ein gottgleiches Leben führen, während der Rest der Menschheit als Organspender in Farmen gehalten wird – oder als "Minderwertler" in der Betonödnis der alten Städte dahinvegetiert, ist 2011 schon viel wahrscheinlicher geworden als 1995. Wenn wir den Kurs nicht ändern, dann werden wir genau dort landen – alternativlos – weil Menschen an sich keinen börslichen Wert haben: in der heilen Welt des Finanzfaschismus werden wir alle Juden, Zigeuner oder Linke sein, "Kosten auf zwei Beinen", "Parasiten", die nichts zu essen kriegen, wenn sie keine Arbeit finden.

Apokalyptische Zustände – bewußt herbeigeführt von … der Sozialdemokratie, die in praktischer Umsetzung ihrer Ideals immer mehr an den Nationalsozialismus erinnert, wo einfach ein paar Millionen Menschen über die Klinge springen müssen, damit der Rest "superreich" spielen kann.

Die wenigen Ausnahmen, die nicht von der täglichen Beute aus Mülleimern leben müssen, werden jetzt schon gezielt gezüchtet: in Managementschulen weltweit. Das Handelsblatt hat mal fünfzig der namhaftesten Schulen vorgestellt, wo man für 71000 Dollar einen tollen Abschluss bekommen kann. Würde ein Hartz-IV-Kind aus Deutschland einen solchen Abschluss anstreben, um der Hilfebedürftigkeit zu entkommen, dann müsste es von seinem Tagessatz von 2,67 Euro etwas beiseitelegen. Bei nur zwei Euro am Tag (wobei es dann von Nudeln, Pfannekuchen und aus der Mülltonne der Schule leben muss) hätte es schon nach 97 Jahren das Geld zusammen, um endlich einen gut bezahlten Job zu bekommen, den es nicht aufstocken muss.

"Herr Eiche" schreibt in einem Kommentar zu dem Artikel, worum es bei dieser organisierten Elitebildung wirklich geht:

Das sind nicht die "Besten Schulen", sondern diejenigen, wo man mit Hilfe von viel Geld (Studiengebühren) bei der Elite mitmischen darf. Letztlich nichts anderes, als eine durch Reichtum abgegrenzte Parallelgesellschaft.

Treffend auf den Punkt gebracht. Darum geht es.

Wir kennen diese Parallelgesellschaft auch in Deutschland, in Gestalt des DDR-Aufkäufers Helmut Kohl hat sie uns gesagt, was sie von unseren Demonstrationen hält:

"Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter".

Morgen werden die Hunde wieder bellen – und die Karawane wird wieder weiter ziehen … diesmal in den Krieg gegen den Iran, den man sich ja schon so lange so intensiv gewünscht hat. Ich gebe euch maximal zehn Jahre, dann haben wir den großen Krieg zwischen China und den USA, jenen Krieg, der die Armen in die Massenvernichtung treibt, damit die Reichen an den Bildschirmen ein spannendes "Live-Reality-Event" erleben können.

Politisch wird sich nichts ändern weil … jeder Parlamentarier automatisch reich wird. Von dem, was ein Parlamentarier im Monat minimal einnimmt (also nur Diäten und Kostenpauschale) muß ein Hartz IV-Kind ZWÖLF JAHRE LANG SEIN ESSEN BESTREITEN … die ganze Kindheit, quasi.

Wer gewählt wird, ist also sofort angekommen in der Parallelgesellschaft der Reichen – egal, welche Partei ihn dort hineingehievt hat.

Der neue Faschismus funktioniert ähnlich wie der alte. Früher mußte man blond, blauäugig und Arier sein, heute braucht man 100000 Euro im Jahr. Wer die hat, bekommt immer mehr, wer die nicht hat – ist draussen, über kurz oder lang … spätestens ab 40.

Nicht jeder Reiche ist ein Finanzfaschist, nicht jeder Arier war ein Nazi … aber natürlich war die Motivation der Arier, gegen die Nazis zu marschieren, geringer als zum Beispiel die Motivation der kleinen, dunkelhaarigen Nordeifeler.

Der neue Faschismus wird genau die gleichen Folgen haben wie der alte: Massenvernichtung von unwerten Leben. Am Beispiel der Hartz-Kinder kann man das schon jetzt sehen. Noch gibt es nur wenig Tote, aber Millionen schweben dicht über dem Hungertod – nicht aus echtem Mangel, sondern aus politischem Willen und Kalkül, weil jederzeit die SPD den "Parasiten" das Essen fortnehmen kann, wenn sie im Sinne Münteferings zu wenig Arbeit leisten. Im Übrigen sollte man sich nicht täuschen – auf den Zug, den die SPD angeleiert hat, springen auch CDU/CSU, FDP, GRÜNE und LINKE gerne auf … immerhin gehören sie der geheimen Bruderschaft der Hunderttausend Euro an, sobald sie im Parlament sind.

Angesichts dieser Entwicklung kann man resignieren – und es ist in der Tat fraglich, ob der Zug noch aufzuhalten ist, da er inzwischen richtig Fahrt aufgenommen hat.

Hält er nicht von selber an, weil Vernunft und Menschlichkeit in die Parlamente zurückkehrt, wird es größerer Gewalt bedürfen, um ihn zum Stehen zu bringen. Aber das ist ja auch der ursprüngliche – undemokratische – Sinn von Demonstrationen. Man zeigt Masse und Kraft, um zu drohen. Das ist der Mob, der mit Fackeln und Wutgeschrei zum Schloss marschiert, um die Kinder aus den Kerkern der Lüstlinge zu befreien und sich vor Wintereinbruch die Ernteerträge zurückzuholen.

Wir hatten einst Demokratie erfunden, um diese Szenen nicht mehr erleben zu müssen.

Wirkung hätten diese Demos sofort, wenn sie … auf deutschen Autobahnen und deutschen Startbahnen stattfinden würden, um den Finanzfaschisten die lebenswichtige Mobilität zu nehmen. Das sollte man vielleicht mit auf den Weg nehmen … die leise Drohung, das man das nächste Mal den Verkehr bundesweit lahmlegt, um den Kurs Richtung Vernichtungslager zu stoppen.

Ein wenig Hoffnung gibt die Vorstellung, das wirklich genug Leute auf die Straße gehen, um dem kleinen Häuflein der Finanzfaschisten und ihrer Mitläufer in den Medien und Behörden Angst zu machen … Angst davor, was geschehen könnte, wenn diese große Masse die Büros stürmt, hungrig, aggressiv, außer sich vor Wut und hemmungslos, weil sie wirklich nichts mehr zu verlieren haben.

Das ist unethisch, undemokratisch, unmenschlich. Druck auf Menschen auszuüben ist immer Gewalt, der Druck der Masse ist da nichts anderes als der Druck von oben.

Aber … wer hat mit dem Druck angefangen?

Einfach mal die Stichworte "Druck" und "Hartz IV" bei Google eingeben … und schon wird man erstaunt sein, über die Druckfront, die dort von Seiten der Allparteienkoalition des Hartz-Blocks im Namen des Finanzfaschismus zum Wohle der eigenen Diäten aufgebaut wurde.

Früher hieß es: "Wer Wind sät, wird Sturm ernten".

Vielleicht gelingt es am Samstag, genug Gegenwind zu machen, um Vernunft in Politiker- und Managerköpfen zu entfachen. Wenn nicht … wird es irgendwann blutig enden – entweder für die oder für uns.

Wäre schön, wenn das noch zu verhindern wäre.

Aber … wer will das schon.

Glänzende Geschäfte mit der Armut der Massen
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„Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich."                                
                                                           --Bundesverfassungsgericht-- 
                                                              BVerfGE 40, S. 196, 327
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